Kein Wintermärchen, sondern ein Ganzjahres-Alptraum

Beiträge zur Geschichte von Klein- oder Privatbahnen
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schilling
Beiträge: 87
Registriert: Mi 14. Mai 2008, 17:56

Kein Wintermärchen, sondern ein Ganzjahres-Alptraum

Beitrag von schilling »

Harfe hat in seiner Geschichte "Wintermärchen" über die winterliche DHE geschrieben und gehofft, dass ich dazu ein passendes Foto habe. Aber leider: FEHLANZEIGE.

Aber ich habe ein anderes gefunden, an das ich mich beim Lesen erinnern musste. Es zeigt den BÜ Delmenhorst, Grüne Straße mit der damals noch handbedienten Schranke:

Bild

Es war immer wieder interessant, dem Schrankenwärter beim Bedienen diese Monstums zuzusehen.

Rüdiger
harfe
Beiträge: 77
Registriert: Mi 14. Mai 2008, 17:22

Re: Kein Wintermärchen, sondern ein Ganzjahres-Alptraum

Beitrag von harfe »

Ja, Danke Rüdiger!
Schön - das illustriert ganz gut den Ärger, den man mit der handbedienten Schranke in Del-Süd immer hatte!
Nicht umsonst mußte man nämlich als Rangierer und Zugführer bei der DHE eine Prüfung ablegen, die auch das Bedienen der Schranke in Delmenhorst-Süd einschloß.
Das war gar nicht so einfach - eigentlich konnte man das gar nicht üben, denn egal, welchen Hebel man wie schnell oder langsam kurbelte - entweder kamen die Bäume gar nicht runter oder viel zu schnell, so daß sie aufschlugen und dann wieder hochschnellten.
Das war eine ganz verflixte Prozedur - aber nun im einzelnen:

Die Schrankenanlage Delmenhorst-Süd, Grüne Straße, sichert eine ziemlich stark befahrene Hauptverkehrsstraße in Delmenhorst. Man kann auf der Grünen Straße vom Hasporter Damm aus die Nebenstrecke über die alte B 75 nach Bremen erreichen.
Die Anlage ist als ortsbediente Schranke planfestgestetellt, deshalb wurde bei der Neugestaltung der Gleis- und Sicherungsanlagen Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts auch wieder eine ortsbediente Vollschrankenanlage eingebaut.

Wie war sie denn nun, die alte Anlage?
Nun - unberechenbar ist, glaube ich, die treffendste Beschreibung!
Die beiden Bäume die jeweils eine Seite über die volle Straßenbreite sicherten waren mordsschwer. Man ging also an die Kurbeln heran, schloss die Kurbeln zunächst auf (das war recht kleinbahnig mit einer Kette und Vorhängeschloss geschehen), schaute nach links und rechts und fing an zu kurbeln.
Aber irgendwie waren die Kurbeln auch noch vertauscht, ich glaube, mit der linken Kurbel bediente man die rechte Schranke und umgekehrt.
Na, auf alle Fälle mußte man eine Kurbelseite immer schon zur Mitte hin wieder zurückkurbeln, weil sonst der Schrankenbaum ziemlich heftig nach unten schnellte - die andere Seite mußte dafür recht brav bis fast zum Ende gekurbelt werden, dann jedoch auch möglichst schnell durch rückwärtskurbeln im Fallen gebremst werden.

Nicht nur, daß das eine körperlich anstrengende Tätigkeit war, nein, man war auch durch die "mentale Anstrengung" hinterher schweißgebadet!
Es war eine richtige Auf-Ab-Schranke!!!!!
Gut, daß die Angelegenheit heute einfacher ist - aber dennoch, an die Zeiten erinnere ich mich auch gerne zurück!

Danke, nochmals an Rüdiger, für das Einstellen des Fotos!
ClausF
Beiträge: 80
Registriert: Do 15. Mai 2008, 09:01

Re: Kein Wintermärchen, sondern ein Ganzjahres-Alptraum

Beitrag von ClausF »

Nun mach das mal nicht so dramatisch. Als Fahrdienstleiter in Vöhrum, Strecke Lehrte - Braunschweig hatte ich in der Zeit von 1974 bis 1980 natürlich auch die Schranke zu kurbeln, sie war so ähnlich wie die Beschriebene. (Ich habe es auch geschafft, den Draht abzureißen.) Nur ich hatte das in der Schicht von 8 Stunden etwa 50 x zu machen, daneben natürlich die Signalhebel, je Richtung Einfahrt-/Ausfahrt und Zwischensignale, selten Weichenhebel mit sehr unterschiedlichen Anwendungen zu bedienen. Dann gab es dazu noch eine Tastenfreigabe, die wieder ganz feinfühlig zu handhaben war. Der Zugmelderuf 60 x in der Schicht wurde mit Kurbel am Telefon angeläutet. Für das Zugmeldebuch, Befehlsvordruck, Merkkalender und auch das Störungsbuch war Schönschrift gefordert. Der Unterschied allerdings, ich bekam Geld dafür!! Mein Zusatzgehalt war eine kurze Zeit auch noch, das ich schwer arbeitende Dampfloks BR 44, BR 50 hautnah erleben durfte.
Was ich sagen will, auch andere Museumseisenbahner haben sich bei der Eisenbahn im Schichtdienst körperlich betätigt.
MfG
harfe
Beiträge: 77
Registriert: Mi 14. Mai 2008, 17:22

Re: Kein Wintermärchen, sondern ein Ganzjahres-Alptraum

Beitrag von harfe »

Danke für die Anmerkung, Claus.
Entscheidend ist aber doch, daß die Geschichten von "früher" bewahrt werden, die Jungs und Deerns heute wissen doch gar nicht mehr, wie das "früher" alles so war!
Noch einen schönen Abend,
Beste Grüße
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