Die Hauptwerkstatt der West- und Ostprignitzer Kreiskleinbahnen

Beiträge zur Geschichte von Klein- oder Privatbahnen
Christian
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Registriert: Mi 12. Dez 2007, 22:14

Die Hauptwerkstatt der West- und Ostprignitzer Kreiskleinbahnen

Beitrag von Christian »

Das für die Prignitz bedeutende Städtchen Perleberg war gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch ohne Bahnanschluß. Letzlich auch durch Initiative des Handels entwickelte sich hier ein Knotenpunkt von mehreren Privat- und Kleinbahnen:

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  • 1881 wurde als erste Eisenbahn die regelspurige Wittenberge - Perleberger Eisenbahn eröffnet, die in Wittenberge Anschluß an 1879 eröffnete Eisenbahn nach Stendal hatte.
  • 1884 konnte die Prignitzer Eisenbahn-Gesellschaft die Strecke Perleberg - Pritzwalk - Wittstock - Buschhof(Landesgrenze) eröffnen.
  • 1897 wurde von der Westprignitzer Kreiskleinbahnen die Strecke Perleberg - Hoppenrade mit 750 mm Spurweite eröffnet. In Hoppenrade schloß sich die ebenfalls 1897 eröffnete Strecke der Ostprignitzer Kreiskleinbahn über Lindenberg nach Kyritz an.
  • 1911 wurde die regelspurige Strecke Perleberg - Karstädt - Kleinberge - Perleberg der Westprignitzer Kreiskleinbahnen eröffnet.
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Damit war Perleberg ein idealer Standort für eine zentrale Hauptwerkstatt. 1911 wurde eine Werkstatt für alle regel- und schmalspurigen Fahrzeuge der West- und Ostprignitzer Kreiskleinbahnen gebaut. Alle Gleise waren als Dreischienengleis ausgeführt, so daß in der Werkstatt alle Fahrzeuge gewartet und instandtgesetzt werden konnten. Das Streckennetz betrug 102 km in 750 mm und 80 km in Regelspur, so wurden im Jahre 1928 14 Dampfloks, 17 Personenwagen, 8 Gepäckwagen und 150 Güterwagen in Perleberg unterhalten.

Zählt man die Fahrzeuge der Prignitzer Eisenbahn und der Wittenberge - Perleberger Eisenbahn hinzu, kommt man auf 29 Dampflokomotiven und 309 Wagen, die direkten Zugang zur Werkstatt hatten.Die Werkstatt war für diesen Fahrzeugbestand entsprechend groß ausgelegt worden, am ungewöhnlichsten für eine Kleinbahnwerkstatt war sicherlich das Scheddach und die innenliegende Schiebebühne, daran schlossen sich an beiden Seiten die Arbeitsstände an.

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1949 wurden die Perleberger Eisenbahnen und die Hauptwerkstatt verstaatlicht und unter Verwaltung der Deutschen Reichsbahn weiterbetrieben. Nachdem die Schmalspurstrecken in der Prignitz zwischen 1967 und 1969 stillgelegt wurden suchte die DR neue Aufgaben für die Perleberger Werkstatt. Ab 1967 wurden jetzt alle Schmalspur-Reisezugwagen und -Güterwagen auf den Strecken der DR unterhalten. Dazu wurden in der Werkstatt zusätzlich Schienen für 900 mm und 1000 mm Spurweite eingebaut. Im Aussenbereich enstand eine zusätzliche Schiebebühne und eine Verladerampe.

Im Jahr 1992 wurde die Werkstatt dann nach 81 Jahren Betrieb geschlossen, die Unterhaltung der verbliebenen Schmalspurwagen wird jetzt im AW Wittenberge durchgeführt.

1991 hatte ich einige Male Gelegenheit die Werkstatt zu besuchen und den letzten Zustand zu dokumentieren, zur Übersicht hier eine unmaßstäbliche Lageskizze, die ich 1991 angefertigt habe:

Lage- und Gleisplan der Hauptwerkstatt Perleberg

Hauptwerkstatt Perleberg


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Strassenansicht

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Eingangsbereich mit ehemaliger Schmalspureinfahrt

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Grubenarbeitsplätze im Bereich Schlosserei / Tischlerei

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Arbeitsstände ohne Grube zur Strassenseite

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Schiebebühne

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Waschhalle, davor die Gruben mit Universalspurweite. Mittels Gewindestangen konnte die Mittlere Schiene auf jede beliebige Spurweite zwischen 750 und 1000 mm eingestellt werden

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Dreherei

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Dreherei

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Schlosserei mit Drehvorichtung für Drehgestellrahmen

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Schmiede

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Schlosserei mit Neubau-Fahrgestell

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Neubau-Wagenkasten in der Schlosserei

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Tischlerei

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Dacharbeitsstand mit Arbeitsbühnen

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Lackiererei

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Lackierter Wagen zur Komplettierung in der Schlosserei

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Bremsstand


weiter gehts gleich im 2. Teil
Viele Grüße,
Christian
Christian
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Die Hauptwerkstatt der West- und Ostprignitzer Kreiskleinbahnen

Beitrag von Christian »

Die Werkstatt wurde während ihrer gesamten Zeit durch eine Dampfheizung geheizt, die in einem Kesselhaus untergebracht war. Auch 1991/92 war hier noch ein Heizer beschäftigt.

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Kesselhaus

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Kessel

Im Aussenbereich waren Abstellflächen für den Eingang und Ausgang der Fahrzeuge. Für die Verteilung sorgte die zweite Schiebebühne

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Aussenschiebebühne

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Schmalspur-Abstellgleise

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...hier mit Blick auf die Werkstatt

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Rampe mit Spillanlage zum Verladen der Schmalspurfahrzeuge

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Verladene Fahrzeuge stehen zur Abholung bereit

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Rückansicht

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Schiebebühne

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Güterwagen im Wageneingang

Im anschließenden Bahnhof Perleberg Süd waren seinerzeit etliche Fahrzeuge abgestellt

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Empfangsgebäude Perleberg Süd

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Im Halbdunkel zwei abgestellte 50er und ein Flachwagen zur Aufarbeitung

Im Aussenbereich standen auch einige Wagenkästen, die noch mit Gewichtsbremsteilen ausgerüstet waren. Dankenswerterweise durften wir diese Teile demontieren und konnten damit die Wagen 31 und 137 mit Originalteilen bestücken.

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Gepäckwagen mit Gewichtsbremse

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Anordnung an der Dachhaube

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1992 wurden bereits Fahrzeuge verschrottet, für die keine Aufarbeitung mehr geplant war

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Im Aussenbereich waren auch noch einige Holzbaracken aufgestellt, in einer waren die Elektriker untergebracht

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Aussenansicht mit Zuführgleis vom Bf Perleberg

Der damalige Leiter Jürgen Baum der Werkabteilung Perleberg, wie die Aussenstelle des RAW Wittenberge zuletzt hieß, hat 1991 noch einen Artikel in der DME verfasst. Damals hoffte er noch auf einen Fortbestand des Werkes.

zum Artikel in der DME 3/1991

1992 endet die 81jährige Geschichte der Hauptwerkstatt der West- und Ostprignitzer Kreiskleinbahnen in Perleberg.
Viele Grüße,
Christian
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